auf den punkt gebracht (1)

"was ich meine, wenn ich von der vernunft spreche oder vom rationalismus, ist nichts als die ueberzeugung, dass wir durch die kritik unserer fehler lernen koennen und insbesondere durch die kritik anderer und schliesslich auch durch selbstkritik. ein rationalist ist einfach ein mensch, dem mehr daran liegt zu lernen, als recht zu behalten; der bereit ist, von anderen zu lernen, nicht etwa dadurch, dass er die fremde meinung einfach annimmt, sondern dadurch, dass er gerne seine ideen von anderen kritisieren laesst und gerne die Ideen anderer kritisiert.

der nachdruck liegt auf der idee der kritik oder genauer der kritischen diskussion. der echte rationalist glaubt also nicht, dass er selbst oder sonst jemand im besitze der weisheit ist. auch glaubt er nicht, dass die blosse kritik als solche uns schon zu neuen ideen verhilft. aber er glaubt, dass nur die kritische diskussion uns dazu helfen kann, im gebiete der ideen den hafer von der spreu zu sondern. er weiss wohl, dass die annhame oder verwerfung einer idee niemals eine rein rationale gelegenheit ist; aber er glaubt, dass nur die kritische diskussion uns die reife geben kann, die noetig ist, um eine idee von mehr und mehr seiten zu sehen und sie gerecht zu beurteilen.

aus karl popper; "zum thema freiheit" aus "alles leben ist problemloesen"